„Der Kern der Dinge"
Holz ist der primäre Werkstoff CW Loths. Aufspalten und
Freilegen, Öffnen und Entfalten kompakter zu einem Raumgebilde hat er sich in
Skulptur und Graphik zur Aufgabe gemacht.
Loths
Arbeitsprinzipien sind klar und genau festgelegt: Alle Skulpturen sind mit der
Kettensäge aus einem Stück herausgearbeitet: keine Partien werden
auseinandergesägt und nachträglich angestückt. Eine durch Vorstudien erprobte
und festgelegte Schnittfolge löst die einzelnen Teile aus dem Stamm, sie bleiben
durch verschiedene Arten von Achsen miteinander verbunden. Einzelne Abschnitte
sind daher beweglich, aber nie vollständig herausnehmbar. Ins Gleichgewicht
kommen Loths Skulpturen durch vorsichtiges Austarieren und Ausrichten der
Achsen und Hebel. Es bilden sich Druchbrüche und Durchblicke, die erst beim
Umschreiten der Arbeiten in ihrer Ganzheit wahrgenommen werden können, sie
schließen sich auf, immer neue Öffnungen werden sichtbar und ein wachsendes
Potential von Raum wird erfahrbar. Der Weg zur Graphik führte über die
Entdeckung der Farbe. Während Loth bei seinen frühen Arbeiten eine Bearbeitung
der Oberfläche oftmals durch Glättung oder Strukturierung vorgenommen hat,
färbt er heute die vollendete Skulptur manchmal mit Preußischblau ein. Diese
Entscheidung fällt allerdings erst ganz zum Schluß nach dem Fertigstellen der
bildhauerischen Arbeit. Wenn das Stück dann für sich „steht“, bleibt es
ungefaßt, wird dagegen eine graphische Wirkung angestrebt, so folgt die Färbung
mit diesem so dunklen Blau, daß die Zwischenräume im Holz fast schwarz wirken.
Die mögliche graphische Wirkung der Skulpturen führt Loth seit 1994
konsequenterweise dazu, das Motiv „Öffnung und Raum“ auch umgekehrt
zweidimensional zu erproben. Seither benutzt er einige der Skulpturen als4 Druckstöcke
für Graphiken. Der Abdruck ihrer Flächen und Linien auf weißem Papier
umschließt teilweise tabernakelartig die Unendlichkeit des entfalteten Raumes.
Paradoxerweise
sind die Arbeiten beider Medien absolut autonome Werke: nebeneinander gestellt
offenbaren sie jedoch ihren Positiv-Negativ-Charakter und erweisen sich als
Vorder- und Rückseite eines unsichtbaren, dazwischenliegenden Kerns: Duch das
Sezieren des Stammes fördert Loth die ihm innewohnenden Möglichkeiten, sich
raumgreifend zu öffnen, zutage. Analog der Entfaltung einer Persönlichkeit kann
das Entfernen eines Schutzes bzw. zu starke Aufgeschlossenheit zum
Zusammenbruch führen. Während die mit der Kettensäge bearbeiteten Holzschichten
und Achsen der Skulpturen diese Empfindung von Fragilität und Gefährdung
vermitteln, weisen die Graphiken mit ihrer dünnen, papierenen Haut ebenfalls
eine äußerst verletzbare Schutzschicht auf. Der sichtbare Kontakt mit der
„kompakten Materie“ ist aber auch für sie wichtig, daher bleibt die im Druck
kräftig hervortretende Holzmaserung lebendiger Bestandteil der an die
Zweidimensionalität gebundenen Raumgebilde. Es wird deutlich, daß sich Loth
trotz einer Verschiebung der Schwerpunkte gewissermaßen Grundmotive in Skulptur
und Graphik erhält. Nebeneinanderstehend schließen sich beide Werkgruppen
unsichtbar zu einer Einheit zusammen.“
Dr.
Antje Lechleiter, Müllheim 1996
|