Edgar
Diehl
"Intuition und Konstruktion:
Dominierend ist die klare, die geometrische
Form, nicht im Sinne einer gleichmäßigen
mathematisch-geometrischen Grundstruktur,
einem Quadrat oder Rechteck, sondern als
unregelmäßiges Drei- oder Viereck (.....).
Seine Bleche, bemalt ode unbemalt, sind keine
Primary Structures im Sinne der Minimal Art,
sondern Flächen, Winkel, auch Körper, die
mit verkanteten Flächen, schrägen Winkeln
und facettierten Wölbungen der Perfektion
und Statik einer regelmäßigen und
berechenbaren Geometrie ausweichen, sich der
Unbeweglichkeit und Geschlossenheit
mathematischer Formen widersetzen.
Durch zweifache Faltung wird aus einer
Aluminium- oder verzinkten Eisenplatte ein
dreiteiliges Bild, oder besser gesagt, ein
Relief, da die keilförmigen, winkelig
gebogenen Zwischenstücke plastisch nach
vorne oder nach hinten über die Fläche
hinausragen. Daraus ergibt sich eine Form,
die der alten Ordnung eines mittelalterlichen
Altarbildes, einem Triptiyhon nahekommt, mit
Mitteltafel und zwei Seitenflügeln. Die
Farbe verstärkt diesen Eindruck, Mittelbild
und beide Seitenflügel sind monochrom in
verschiedenen Farben bemalt. Doch nur dieser
erste Formeneindruck der Anordnung ist
vergleichbar, in allem anderen unterscheiden
sich Diehls Aluminium- und Eisenblechtafeln
von herkömmlichen Tafelbildern. Er
durchbricht das rechtwinklige System, indem
er die Platte an zwei Stellen mit einer
schrägen Faltung unterteilt, seine
Triptychen bestehen also aus einem Stück und
sind eigentlich keine Bilder, sondern Reliefs
und damit Plastik. (..........)
Die Kombination dieser monochromen
Flächen folgt keiner Farbtheorie, die Farben
sind subjektiv gewählt, doch so
zusammengesetzt, daß sie ungefähr die
gleiche Wertigkeit haben, die gleiche
Helligkeit und Dichte und daß warme und
kalte Farben nebeneinanderstehen. Diese
Farbreliefs, diese Farbtafeln auf Blech, sind
eine Weiterentwicklung der Malerei Edgar
Diehls auf der Leinwand. Auch in den
Leinwandbildern sind es die
Farbkorrespondenzen, die ihn interessieren,
sind es räumlich wirkende, aus mehreren
Teilen zusammengesetzte Bildkombinationen mit
großen monochromen Flächen. Die
Weiterentwicklung dieser Farbräume und damit
die Verwendung von Blechen als Bildträger,
mit seinen Möglichkeiten, die Zäsuren
zwischen den Farben plastisch zu betonen, ist
konsequent. Auch das Durchbrechen des
rechtwinkligen Kanons des Tafelbildes wird
durch den neuen Bildträger erst möglich und
führt, wie die plastische Formung der
Zwischenräume, weg von der Tafelmalerei, hin
zur Räumlichkeit, zur Dreidimensionalität,
Farbe wird Form und die Form bestimmt den
Raum durch ihre Farbe.
(......)
Edgar Diehl ist zunächst Maler und sein
künstlerischer Weg beginnt mit Farbe und
konkreter Form, eine Künstler also, der zu
den Konstruktiven, den Konkreten zu rechnen
ist. Aber seine Bilder, seine Reliefs und
Plastiken sind viel weniger Ergebnisse
mathematischer Berechnungen oder einer
Farbenlehre, Intuition und Findung stehen an
erster Stelle, Anregungen aus den
verschiedensten Bereichen, die eine visuelle
Vorstellung, eine Assoziation auslösen. Die
Berechnung ist erst der zweite Schritt, sie
läßt aus der Idee ein Objekt entstehen. Das
Schneiden der Aluminiumplatten, das Falten
und Knicken muß exakt berechnet werden, um
die gewünschte Form zu erhalten, präzise
Konstruktions-zeichnungen bereiten diesen Weg
von der Idee zur Ausführung vor.
Edgar Diehls Arbeiten sind stark
raumbezogen, wirken räumlich, nehmen Bezug
auf zu der sie umgebenden und tragenden
Architektur. Diehl mag ursprünglich Maler
sein, aber die dritte Dimension ist all
seinen Arbeiten so präsent, sowohl in seinen
Reliefs als auch in seinen Bildern, daß
diese Bezeichnung zu kurz greift. Die Farbe
wird zur Form und die Form wird zum
raumbestimmenden Objekt, zur Plastik. Wenn es
das gäbe, könnten wir Edgar Diehls Arbeit
als intuitiv-konstruktiv bezeichnen, er spart
zwar den spontanen Gestus, das Expressive
völlig aus, nicht aber den spontanen
Einfall, die Intuition, die Assoziation. Das
macht seine konstruktiven Formen und
monochromen Fabflächen auf ungewohnte Weise
lebendig und räumlich."
Gisela Fiedler-Bender in
"Edgar Diehl", Katalog der
Pfalzgalerie Kaiserslautern 1991
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