SKULPTUREN-KABINETT
Kabinett für zeitgenössische Bildhauerei

Hermann Brühl

"(.......) Brühl beginnt mit figürlicher Plastik, daran interessieren ihn jedoch immer weniger die Volumen und ihr Zusammenhang, auch nicht das Abbild, sondern spezifische formale Einzelheiten, Winkel im Raum zum Beispiel: das Verhältnis des Fußes zum Bein vielleicht, oder der Schultern zur Körperachse. Brühl entdeckt für sich die beiden elementaren Ausdrucksgestalten des Plastischen: das Stehen, die Senkrechte, und das Liegen, die Waagrechte. Beides sind statische Formen, die den beiden Ruhepositionen des menschlichen Körpers entsprechen. Er beschäftigt sich auch zunehmend mit Positiv- Negativbeziehungen im Relief.

Um 1960 herum - er wohnt bereits in Konstanz - findet Brühl zu einer eigenen bildnerischen Sprache, die auf fundamentalen eigenen Erfahrungen beruht. Seit dieser Zeit sind Brühls Arbeiten, seine reliefs, seine Plastiken und Zeichnungen immer unfigürlich, also nicht abbildend, immer rechtwinklig und additiv aufgebaut. Seit dieser Zeit kann man Brühls Arbeiten derjenigen Kunst zurechnen, die Theo van Doesburg 1924 "Konkrete Kunst" genannt hat: "Konkrete Kunst, also keine abstrakte, weil nichts konkreter, nichts wirklicher ist als eine Linie, eine Farbe, eine Fläche. Es ist das Konkretwerden des schöpferischen Geistes."

In den 60er Jahren entwickelt Brühl Reliefs und Plastiken, meist aus schwarzem Eisenblech, die asymmetrisch sind. Sie bestehen aus rechtwinklig zugeordneten Plastten, aus Flächen, die Räume erzeugen und Raumbezüge herstellen.

In dieser Ausstellung sind Arbeiten Brühls aus den 70er Jahren zu sehen. Sie gehören zu unterschiedlichen Werkgruppen, die jedoch aufeinander bezogen sind. Eine Werkgruppe besteht aus Edelstahlplastiken, die stets aus den gleichen modularen Elementen (Grundelementen) zusammengesetzt sind. Eine weitere Werkgruppe besteht aus schwarzen, quadratischen Eisen-Reliefs, die formal durch eine Kreuzform und ein inneres, einbeschriebenes Quadrat bestimmt sind....Das selbe formale Schema findet sich auch in Variationen auf den kleinen Steinplastiken.....Eine weitere Werkgruppe besteht aus weißen abgetreppten Stelen, die seit 1976 entstanden sind, und in denen wiederum das Prinzip der Progression entstanden ist.

(....) Alle Arbeiten sind auch strikt rechtwinklig. Das geht auf Brühls Grunderfahrung vom Raumwinkel, auf die elementaren Motive Stehen und Liegen zurück. Die weißen Stelen thematisieren dabei den gestuften Übergang in einer Schichtung von der liegenden Platte zur stehenden Stange.

Gemeinsam ist auch allen Arbeiten, daß ihnen ein System zu Grunde liegt. Das heißt, man kann die Genese der Arbeiten über die Regeln beschreiben, die ihnen zugrunde liegen.

(.......) Gemeinsames Merkmal aller Arbeiten ist auch der serielle Aspekt. Seriell von Serie = Wiederholung gleicher und ähnlicher Elemente. Das serielle Vorgehen zeigt sich dabei ebenso in der einzelnen Arbeitwie in der Abfolge von Arbeiten. Auch hier wird jede Reihe konsequent zu Ende geführt.

Das Material spielt für Brühls Plastiken eine untergeordnete Rolle. Er ist gegen eine - wie er sagt - vordergründige Materialgerechtigkeit unf sucht nach Material ohne spezifischen Charakter, das anonym wirkt: glänzender Edelstahl, mattweiß gestrichenes Holz.

(.......) Die formale Einfachheit der Arbeiten ist bei Brühl immer das Ergebnis langer "Reduktions- und Konzentrationsprozesse. Die Formen sollen "ärmer werden", sagt er. Und vielleicht sind gerade für eine Überfluß- und Wegwerfgesellschaft die "armen", die einfachen Kunstobjekte wichtig, denn mit der Zeit nimmt man wahr, daß sie Ruhe ausstrahlen, zur Konzentration und Meditation anregen. Somit haben sie eine präzis angebbare Funktion im geistigen Haushalt dieser Gesellschaft."

Peter Staechelin:

Einführung zur Ausstellung von Arbeiten Hermann Brühls in der Universität Konstanz im Mai 1980


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