Matthias Will
(....)
Malewitch und van Doesburg dürfen als
Gründerväter der konstruktven bzw.
konkreten Kunst betrachtet werden, die sich
auch am Ende des Jahrhunderts noch nicht
erschöpft hat. Und zu der man Wills
Produktion, ohne ihr Gewalt anzutun, rechnen
darf. Im Gegensatz zu jenem anderen Zweig
nichtgegenständlicher Kunst stehend, den man
organisch-expressiv nennen könnte,
entwickelt die konstruktive Kunst ihre
Gestaltungslogik aus rational verfügbaren,
uns allen bekannten, überprüfbaren
Einheiten. In diesem unserem Fall beruft sie
sich auf die intellektuelle, fast schon
philosophische Exaktheit der Geometrie. Denn
gleichsam platonische Ideen sind Matthias
Wills Grundelemente Kreis und Quadrat,
Würfel und Quader, Kugel und Zylinder, die
er über Jahre sägend, schneidend,
schweißend, schraubend, verzurrend vielfach
variiert und kombiniert hat. Oft genügt ihm
sogar die Idee der Idee insofern, als seine
Träger und Platten das fragliche Element nur
andeuten, umschreiben, im Fragment belassen,
Körper auf Fläche und Fläche auf Linie
zurückführen. Solch perfekter Idee setzt
die handwerkliche Ausführung manchmal die
schartige Kante entgegen, häufiger noch die
rostige oder mit der Flex gezeichnete
Fläche. Das Konzeptuelle der Arbeit als
Ganzes erfährt somit eine gewisse
Relativierung durch das Beknntnis zu
Handschrift und Stofflichkeit, beginnend mit
der Wahl des Materials Eisen, das Will
schlichtweg aufgrund seiner Schwere liebt.
Darüberhinaus deswegen, weil es - im
Vergleich zu den traditionellen
Bildhauerstoffen Stein, Holz und Bronze -
leicht, schnell, flexibel und korrekturfähig
zu bearbeiten ist. (....)
Steckt doch in
jedem seit 1986 aus Wills Werkstatt
gekommenen Beispiel ungeheuer viel an
Positivem, an -befreiung, an Souveränität.
Der Schwebezustand gerade des stofflich so
dichten Metalls wirkt doch, als hätte der
Künstler der Gravitationskraft ein
Schnippchen geschlagen - da können die
realen statischen Verhältnisse und die
Aufgaben namentlich des Stahlseils noch so
offen zutageliegen. Will hat die Schwere des
Eisens begriffen als Herausforderung, al zu
überwindendes Hemmnis. Hier wirkt noch etwas
vom Optimismus nach, den die konkrete Kunst
vor einem Menschenalter verkündete, auch
wenn für Matthias Will die Technik Mittel
oder Analogon der künstlerischen Gestaltung
ist, nicht Ziel oder Ideal. (....)
'Ich
galube an Kraft und Sinn der plastischen
Formen. Von daher will ich auch den
Wahrheitsbegriff in der Kunst nicht
aufgeben.'; Mit solchen Aussagen bekennt
sich Will zur Radikaltradition der Moderne,
die ja Werke schaffen möchte, die (......)
allein durch ihre Evidenz, d.h. ihr So-Sein
Erkenntnis zuwegebringen."
Roland Held,
Kunstkritiker, Darmstadt, anläßlich der
Übergabe des Georg-Lichtenberg-Preises 1996
in der Scheunen-Galerie Ober-Ramstadt.
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