Helena Müller über ihre
Arbeit "Form und Ausdruck zu einer
Einheit zu bringen, ist immer von neuem ein
Anliegen in meiner bildhauerischen Arbeit.
Inhaltlich beschäftigt mich das menschliche
Leben: Der Mensch, das Bild des Menschen
(auch wenn gelegentlich mal ein Tier
dazwischen ist oder eine 'freie' Form,
Auswahl und Material und Ausprägung der Form
folgen unter der Prämisse, jeweils die ganz
spezifischen Möglichkeiten der Materialien
zu nutzen. Das bedeutet z.B. beim Ton (auf
dessen Grundlage Gips und Bronze entstehen),
die Spontaneität des Arbeitens und
Ausprobieren-könnens, eim Stahl die
Möglichkeit rasch und filigran Raum
aufzubauen, beim geblasenen Gals die
Durchsichtigkeit, die Innen- und Außenform
zeigt, beim Holz die Absolutheit des
Wegsägens und der Dialog mit dem Stamm.
Begleitend, ergänzend und auch zur
Vorbereitung plastischer Arbeiten, entstehen
Zeichnungen und Druckgraphik, bei letzterem
u.a. Holz- und Linolschnitte, die zunehmend
beginnen, ein Eigenleben zu entwickeln. Die
Arbeit mit verschiedenen Materialien, und
damit verbunden den unterschiedlichen
Herangehensweisen, erlebe ich immer wieder
als spannende und befruchtende
Auseinandersetzung die ich schon des Spaßes
wegen, den es mir macht, nicht missen
möchte.
Themen sind
mir wichtig und oft der Ausgangspunkt einer
Arbeit: nach ihnen richtet sich alles
Stoffliche, sie sind die innere Bindung
meiner äußerlich oft verschieden
erscheinenden Arbeiten. Es interessiert mich
dabei die ganze Bandbreite existentieller
Menschlichkeit, von Zeugung und Geburt bis
zum Tod, wobei Schmerz und Freude
gleichermaßen ihren Ausdruck finden wichtig
ist mir oft gerade die Ambivalenz zweier
Gefühle, wie z.B. Tragik und Humor, Angst
und Stärke etc. immer in dem Versuch, nicht
nur darzustellen, sondern leibhaftig werden
zu lassen. In diesem Sinne ist für mich
Bildhauerei (oder auch Kunst im allgemeinen)
in erster Linier geistiger Prozeß. Technik
und Handwerk sind Werkzeuge, deren ich mich
bei der Umsetzung der inneren Bilder bediene.
Und obwohl die Bildhauerei eine Kunstgattung
ist, die sich unbestreitbar in Material und
Form manifestiert, und auch ich mich
natürlich unentwegt in einer
Auseinandersetzung mit Material und Form
befinde, möchte ich die Arbeit an der Form
nicht vor die Arbeit am Ausdruck stellen, und
beharre auf meinem Standpunkt: Wenn der
Ausdruck stimmt, stimmt auch die Form, und
nicht zwangsläufig auch umgekehrt. Darin
zeigt sich dieBildhauerei in ihrer
Eigenschaft als Sprache (an der zu forschen,
sie zu vervollkommnen oder auch zu erneuern
natürlicher Weise jedes bildhauerische
Schaffen begleitet) und als solche ihrem
Wesen nach als abstraktes Medium, und zwar
ungeachtet der Naturnähe oder ferne in der
formalen Erscheinung der Werke.
In meinen
Menschenbildern versuche ich Unpersönliches
mit Persönlichem zu beleben und
Persönliches auf eine Eben zu heben, die
über die Privatheit hinausgeht. Um zu einer
größt-möglichen Lebendigkeit des Ausdrucks
zu kommen, nutze ich alle mir zur Verfügung
stehenden künstlerischen Mittel, wobei sich
im glücklichsten Fall Einfühlung und
Distanz, Bewegung und Ruhe steigern. Die
Plastiken sind sprechend, aber nicht
theatralisch oder kokett, sondern in ihrer
Anwesenheit.
Die lange und
wandelbare Tradition der Bildhauerei ist für
mich Herausforderung und in ihren
Höhepunkten Maßstab für zeitgenössisches
Schaffen, gerade das Bild des Menschen hat
sich über so viele Jahrtausende mit der
gesellschaftlichen Entwicklung gewandelt und
hat immer wieder neuen Ausdruck gefunden, so
daß es nach wie vor spannend bleibt und
umfangreich genug ist, es auch die heutige
Zeit zeitgenössisch begleiten zu lassen."
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