PRESSESPIEGEL
DER TRAUM VOM FLIEGEN
05.05.2000 -30.06.2000
Hellevi Rebmann, Zeitung Zum Sonntag
Flieg, Holzbock, flieg...Vier Bildhauer träumen ihren "Traum vom Fliegen"-
eine Ausstellung im Freiburger Skulpturenkabinett.
Drei Objekte fallen sofort ins Auge, wenn man den Ausstellungsraum des
Freiburger Skulpturenkabinetts betritt - es scheint, als gehörten sie zu
einer zusammenhängenden Installation. Wären sie nicht im Eingangsbereich
postiert, würde man sie vielleicht unscheinbar finden. Inge Schmidt, bekannt
durch ihre Arbeiten aus Wellpappe, Stöckchen, Holzklötzchen, Drähten und
durch kippelige Regale aus dünnen Vierkantlatten, in denen fast schmerzhaft
"armselige" Kleinobjekte aufbewahrt sind, hat hier "festere" Werke
installiert. Zerbrechlich zwar sehen auch diese aus, doch schon Untertitel
wie "Flügel mit am Boden gebundenen Sensor" geben Auskunft über die
Standhaftigkeit ihrer Objekte: Am Boden ein Flügelpaar aus Pressholz, daneben
der "Sensor", eine Stange mit Schaumgummi umwickelter Spitze: Nein, dieser
Vogel hebt sich nicht so leicht in die Lüfte. Auf einem hohen Lattensockel
dann die "Kleine Turbulenz"in der Luft, aus Wellpappe, Astholz und Draht
gefügt zu einer wunderbaren Andeutung von Wind. Und damit alles vollständig
ist, brachte Inge Schmidt an der Wand, über unseren Köpfen, die Wolken aus
grauweißem Holz an.
Das Thema der aktuellen Ausstellung im Skulpturenkabinett heißt "Der Traum
vom Fliegen". Schon in diesem Titel kündigt sich an, dass die hier gezeigten
Werke alle mehr oder weniger narrativ sind. Viele Assoziationsbeeiche des
"Fliegens" sind angesprochen: Luft, Wind, Flügel und Engel; die
mythologischen Interpretationen zum Thema wie "Nike" oder "Ikaros" sind nicht
überstrapaziert.
Im Gegensatz zu den hellen Materialfarben von Inge Schmidt zeigen die übrigen
Werke in der Ausstellung dunkles, auch schweres und schwerstes Material und
wuchtige Beschaffenheit. Lediglich Michael Schwarzes Drahtobjekte, Insekten
wie die "Verwandlung", sind noch leicht. Sie gesellen sich zu den skurrilen,
surrealen Kopffüßlern mit Fledermausflügeln aus Bronzeblech, die an langen
Metallstäben in der Höhe schwingen. Schwarzes bekannte Figurenwelt ist
bevölkert von Wesen, die wie die "Leitfigur" auf bloße Gliedmaße, die
Bewegung oder Handeln ausdrücken, reduziert wurden.
Gerhard Schwarz arbeitet ausschließlich in der Technik der Raku-Keramik:
dunkelerdig, satt die Farben der Objekte, die Oberflächen, schrundig und
"verbrannt", sind oft mit archaischen Ornamentmustern strukturiert.
Architektonische Objekte wie Türme und Mauern, geometrische wie Kuben und
Platten sind ein wiederkehrendes Thema bei Gerhard Schwarz. Er zitiert und
erzählt, lässt etwa den "Blauen Engel" in einer nur ahnbaren Reizbewegung wie
vor einer Kulisse posieren, oder ein weißes Flügelwesen mitten in einem
Gedränge von stilisierten Figuren auf einem Turm die "Bergdohlen beneiden".
Schließlich türmt der Künstler Keramik-"Bücher" aufeinander: "Volare",
"Flieg", "Vogel" ist in Schrift und Bild lesbar, jede Platte für sich eine
kleine Plastik.
Michael Schützenberger hat die drei Meter hohe Nike von Samothrake, die im
Louvre zu sehen ist, als ein Teil seiner eigenen Kunst gezähmt: Aus der
Siegesgöttin mit dem wehenden Gewand ist eine nur andenkengroße, auf die Form
von zwei Flügeln reduzierte Figur geworden. Obwohl in einen schweren
Eisenblock geschnitten, scheint sie sich doch schwungvoll zu bewegen.
Ungewöhnlich ist auch der Ikaros von Schützenberger: Aus einem Holzstamm
geschnitzt, ohne Flügel, ragt er an der Wand hervor; doch nicht wie eine
Warnung, nicht bedrohlich, stürzt er hier ab, denn ihm nimmt man eigentlich
keine Höhenflüge ab. Aus der Vogelperspektive schaut er auf eine kleine
Landschaftsplastik aus Eisen herunter, die nahe am Boden liegt.
Hellevi Rebmann
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